KURZ Geschichte
Der kurze Höhenflug der SG Sosa
Spitzenmannschaften ohne Trägerbetrieb waren selten in der DDR. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für hochklassigen Fußball waren ohne potenten Geldgeber im Rücken schwierig. In der Erzgebirgsgemeinde Sosa, zu DDR-Zeiten bekannt durch ihre 1952 in Betrieb genommene „Talsperre des Friedens“, hatte man eine Zeitlang als BSG Fortuna unter Obhut der SDAG Wismut Erlabrunn gestanden, bis sich die Wismut 1959 nach ihrem Ausstieg aus dem Abbaugebiet Johanngeorgenstadt als Geldgeber zurückzog. Unter dem Namen Industriesportgemeinschaft (ISG) kickte Sosa anschließend zunächst auf Kreisebene weiter und erklomm erst 1966 erstmals die Bezirksklasse.
Mit einem ausnahmslos aus der Region stammenden Kader und trotz regelmäßiger Abgänge von Talenten wie Thomas Teubner, Heinz Häcker, Günter Dieke oder Michael Preiß an Bezirksgröße Wismut Aue schafften die Blau-Weißen dort schließlich 1975 unter Trainer Franz Weiß sogar den Sprung in die Bezirksliga Karl-Marx-Stadt. Zwischenzeitlich war am Dürrer Berg ein modernes Sportplatzareal entstanden, bei dem der Talsperrenbau entscheidende Hilfestellung geleistet hatte, denn dort wurde jenes Felsgestein für den Bau der Stützmauer benötigt, das beim Stadionbau im Weg war.
Nachdem sich die Blau-Weißen um Torjäger Jürgen Pechmann einige Jahre im gesicherten Mittelfeld der dritthöchsten Ligaklasse getummelt hatten, gelang 1979 einigermaßen unerwartet der Staffelsieg vor deutlich höher eingeschätzten Teams wie Motor „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt, BSG Ascota Karl-Marx-Stadt, Aufbau Krumhermersdorf sowie Motor Zschopau, der mit der Versetzung in die Liga-Staffel belohnt wurde. Bereits drei Spieltage vor Serienende stand der Überraschungsaufstieg nach 13 Siegen und zwei Unentschieden in Folge fest. Umgehend rückten wieder Bautrupps an und sprengten am Dürrer Berg weitere Felsen weg, um Platz für Zuschauer zu schaffen.
Im Oberligaunterbau traf das kleine Sosa mit seinen 2.500 Seelen auf Größen wie Energie Cottbus, Aktivist Schwarze Pumpe oder FSV Lokomotive Dresden, die das Team von Übungsleiter Franz Weiß vor große Aufgaben stellten. Zum Auftakt gastierte Staffelfavorit Cottbus und lockte 3.200 Fans in die Talsperrengemeinde. Nach dem achbtaren 0:0 schrieb die „Freie Presse“: „Mit einer starken kämpferischen Leistung erzwang der Neuling gegen Energie Cottbus ein verdientes Unentschieden. Besonderen Anteil an dieser kaum erwarteten Punkteteilung hatte der Sosaer Torhüter Harry Grünert.“ Heimsiege über Motor Werdau, Motor „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt sowie Aktivist Brieske/Senftenberg konnten den Abstieg schlussendlich aber nicht verhindern.
Seinen größten Erfolg hatte Sosa ohnehin abseits des Spielfeldes gefeiert, als der Konsumkreisverband Aue unter seinem Vorsitzenden Lothar Georgi im Saisonverlauf 1979/80 zum Trägerbetrieb geworden war und die SG Sosa fortan als BSG Empor auflief.
Im Folgejahr verpasste das Team nur knapp die Rückkehr in die zweithöchste Liga und erreichte die erste Hauptrunde im FDGB-Pokal, wo es ein 0:1 gegen Fortschritt Weida gab. 1985 als Bezirkspokalsieger erneut für den Pokal qualifiziert, scheiterte Sosa abermals an Weida (2:4) und stieg zwei Jahre später aus der Bezirksliga ab. Nach der Wende übernahm der SV 1899 Sosa das Empor-Erbe, dessen Fußballabteilung sich 1994 als FSV verselbständigte.
„Durch die schwachen Geburtenjahrgänge fehlte es auch im Nachwuchsbereich an Spielern aus den eigenen Reihen, und so kam es 1995 zum Abstieg in die Kreisliga“, heißt es in der Klubchronik über diese Zeit. 2000 gelang unter Trainer Gunter Dieke noch einmal der Aufstieg in die Bezirksklasse, die jedoch nicht gehalten werden konnte. Seitdem wird im Stadion Dürrer Berg Kreisliga A Erzgebirge-West angeboten. (Hardy Grüne)
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "ZEITSPIEL Legenden: Fußballverein. Band 2" , das im Zeitspiel-Verlag erschienen ist.
KURZ Geschichte
16.2.2023: 104 Jahre Vllaznia Shkoder (Albanien)
„Wir waren immer einer der wichtigsten Vereine in Albanien“, sagt Klod. „Vor allem wegen der ausgezeichneten Jugendarbeit. Leider mussten viele Talente nach Tirana gehen, weil es das Regime so wollte. Deshalb wurde Vllaznia unter den Kommunisten auch nur fünfmal Meister. Immerhin konnten wir 1972 nach 25 Jahren Vorherrschaft von Partizani, Dinamo und 17 Nëntori erstmals wieder die Meisterschaft aus der Hauptstadt entführen. Das galt damals als Sensation. Shkodra ist eine völlig fußballverrückte Stadt. Wir haben immer in einem vollen Stadion gespielt. Alles drehte sich um Fußball, um Vllaznia. Jede Straße war blau-rot geflaggt. Heute interessiert das niemanden mehr.“
„2001 wurden wir das letzte Mal Meister. Damals war der Klub in privaten Händen. Unter den Kommunisten hatten alle Vereine Betrieben oder Behörden gehört. Vllaznia war im Besitz der Stadtverwaltung gewesen. 2000 übernahm Myftar Çela den Klub. Der war damals einer der mächtigsten albanischen Geschäftsmänner. Unter ihm entstand ein echtes Dream-Team, dem die Zukunft offenstand“, sagt Klod. „Nach der Meisterschaft ging alles schief. 2003 wurde Çela in Montenegro erschossen. Das ganze Land war geschockt. Er war sehr beliebt, und jeder vertraute ihm. Valter Fushaj wurde sein Nachfolger. Schnell gab es Gerüchte über Korruption. 2010 haben wir ein wichtiges Spiel gegen den Abstieg mit 3:2 gegen Skënderbeu Korçë gewonnen. Doch es stellte sich heraus, dass ein Spieler nicht auf dem Berichtsbogen gestanden hatte. Die Punkte waren weg, und jeder wusste, dass Fushaj das mit Absicht gemacht hatte. 2018 sind wir abgestiegen, zum ersten Mal überhaupt. Danach hat die Stadtverwaltung den Verein wieder übernommen, besser wurde es aber nicht. Inzwischen herrscht Resignation. Zur neuen Saison sind elf Spieler gekommen, fast alle aus dem Ausland. Moldawien, Nigeria und so weiter.
Dabei war Shkodra immer die Talenthochburg Albaniens.“ „Das Problem ist, dass die Kinder nicht mehr Fußball spielen können, weil es in Shkodra keine Plätze mehr gibt. In meiner Jugend, und ich bin ja erst 26, gab es überall Fußballplätze. Heute ist alles überbaut mit Wohnhäusern. Genauso wie die Parks. Auch die verschwinden, weil gebaut wird. Vllaznia hat noch nicht mal mehr ein eigenes Trainingsgelände. Es gibt nur einen kaputten Kunstrasen, auf dem man sich ständig Verletzungen holt. Das ist das eine Problem. Das andere ist Korruption. Warum soll ich ins Stadion gehen? Die Ergebnisse sind abgesprochen, der Fußball ist mies, die Infrastruktur schrecklich und dann kostet es mich ja auch noch Eintritt. Die Korruption macht alles kaputt. Vor fünf Jahren kamen 12.000 Zuschauer zu Derbys gegen Tirona. Das ist unser Erzfeind. Heute? Maximal 5.000. Die internationalen Wettbüros haben unsere Liga inzwischen aus dem Angebot genommen, weil die Wettmafia alles im Griff hat. Ich erinnere mich an ein Spiel in Lezha. Da kam der Präsident vor dem Spiel in die Kabine und sagte: ‚Wir gewinnen 1:0.‘ Wir schossen ein frühes Tor, alles war gut. Mit 1:0 ging es in die Halbzeit. Da kam der Präsident wieder und sagte: ‚Wir verlieren 1:3.‘ Dabei war es ein sehr wichtiges Spiel. Lezha hat dann zwei Tore gemacht, doch das dritte fiel nicht. In der 96. Minute gab der Schiedsrichter Elfmeter. Ein Witz. Er wurde natürlich verwandelt, und wir verloren 1:3. Oder schauen wir auf Partizani Tiranë.
Natürlich ist man dort glücklich, endlich wieder Meister geworden zu sein. Aber darf einen das wundern? Der Klub gehört dem Bruder des Premierministers! Dass Partizani Meister wurde, ist kein Zufall.“ (Hardy Grüne)
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "Onkel Enver, der Fußball und eine Radreise durch Albanien", das im Zeitspiel-Verlag erschienen ist.